Todestag der FCN-Ikone
Grüße in den Club-Himmel: Max Morlock, Nürnbergs Superheld
10.9.2024, 11:25 UhrWenn man jemanden gern hat, möchte man, dass er bleibt. Als Max Morlock im September 1994 starb, wusste Nürnberg, dass ein ganz Großer gegangen war. In seiner Stadt war dieser immer mehr als nur ein Fußballheld. Morlock setzte sich über 22 Jahre für den Club ein und durch, repräsentierte Nürnberg und blieb trotz Weltmeisterruhm und zweier Meistertitel ein bescheidener und umgänglicher Mensch.
Schlossstraße, Stuhlfauth und Kinder-Schmuggel beim FCN
Am 11. Mai 1925 wird der Maxl in Gleißhammer geboren. Fußball spielt der mittlere der drei Morlock-Buben das ganze Jahr - im Sommer auf dem glühenden Asphalt der Schlossstraße, im Winter auf dem zugefrorenen Zeltnerweiher bei grimmiger Kälte, ob auf Kellerfenster oder Steckentore, im Wiesengrund oder im Schulhof. Jeden Tag, überall.
"Den Klaan dou, den könnt ihr aa noch hamm." Mit diesem Spruch überlassen ihn die Freunde oft dem gegnerischen Team. Und bereuen es danach gründlich. Auch später ist die nur 1,70 Meter kleine Offensivkraft kaum zu stoppen, kompensiert Größennachteile mit Einsatz, Sprungkraft und gutem Timing. Der nahe Zabo, die Heimstätte des in den 20er-Jahren quasi unschlagbaren FCN, übt auf den Hochbegabten einen riesigen Reiz aus. Er betätigt sich als "Ballnrussla" oder trägt Torwart-Ikone Heiner Stuhlfauth den Koffer - und kommt umsonst ins Stadion. "Ja Buum, geht noch alle her." Später wird auch der neue Superstar der Stadt Kinder so zum Fußball bringen.
Ab Mai 1940 spielt das Ausnahmetalent selbst im Zabo. Nachdem Morlock 1941 bei der ersten Mannschaft debütiert, schaltet seine Karriere in den Turbolader. Im Frühjahr 1942 liegt eine Einladung von Sepp Herberger, dem Trainer der Nationalmannschaft, im Briefkasten des Nicht-Mal-17-Jährigen.
Rekorde in Nürnberg und der Spagatschritt bei der WM 1954 in Bern
Nach Kriegsende kehrt Nürnbergs Vorzeigefußballer auf das Spielfeld zurück, lässt Tore zu Wasser, Land und Schlamm folgen. Sowohl beim Start der Oberliga 1945 als auch bei ihrem Abpfiff 18 Jahre später ist der Max dabei. 451 Einsätze, 286 Treffer, Rekorde für die Ewigkeit. Doch Morlock begeistert nicht nur mit Abschlussqualitäten, er ackert auch vor der eigenen Kiste, leistet die Drecksarbeit. Er glänzt als mannschaftsdienlicher Ballschlepper und gestaltet das Club-Spiel als unermüdlicher Antreiber wesentlich mit. So auch im Sommer 1948, als sich der 1. FC Nürnberg im Glutofen Müngersdorferstadion gegen Kaiserslautern die erste Nachkriegsmeisterschaft sichert - die siebte insgesamt.
Und dann der nächste Coup: 1954 macht der Nürnberger sein Weltmeisterstück, im Finale gegen Ungarn das Wunder gegen Bern überhaupt erst möglich. Der Favorit liegt früh mit 2:0 in Führung, als Morlock unmittelbar nach dem zweiten Treffer der Magyaren dem DFB-Team durch seinen Anschlusstreffer neue Hoffnung gibt. Jeder Fußballfan kennt sein Tor. Das Fanal zur Aufholjagd. Die Szene, die Deutschlands ersten Weltmeistertitel ankündigt. Helmut Rahn feuert in den Sechzehner. Morlock wirft sich auf dem regennassen Rasen im vielzitierten Spagatschritt in die Schussbahn. Und drückt den Ball mit Maximaleinsatz an Ungarn-Keeper Gyula Grosics vorbei über die Linie. "Das war mein liebstes und mein wichtigstes Tor", sollte er später sagen, um in einem Interview mit Reporterlegende Günther Koch Mitte der 80er zu ergänzen, dass dies sein größter sportlicher Erfolg überhaupt war und er der glücklichste Mensch.
Meisterliche Zielvorgabe: 1961 jubeln Morlock und der Club
Natürlich bereitet Nürnberg seinem WM-Helden einen begeisterten Empfang. Nach dem Titelgewinn 1954 fokussiert Morlock einen Wunsch. "Ich möchte mit dem Club noch einmal die Deutsche Meisterschaft holen", bekennt der Torjäger, diesen kennzeichnend, freimütig.
Sieben Jahre später, am 24. Juni 1961, ist es endlich so weit. Nürnbergs Fußball-Idol stemmt nach einem 3:0-Finalsieg gegen favorisierte, aber chancenlose Dortmunder die Schüssel in Hannover freudestrahlend in die Höhe. Mit vielen Eigengewächsen und einem Durchschnittsalter von knapp 24 Jahren hat sich der FCN den Titel geschnappt. Getragen von einer Erfolgswelle. An die Hand genommen von der großen Identifikations- und Integrationsfigur Max Morlock. Von einem Mann, der die jungen Club-Wilden anleitet, nicht anmacht. Sie motiviert und fördert.
Am Tag danach säumen 200.000 begeisterte Clubfans die Straßen Nürnbergs. Die Menge lässt nur eine schmale Gasse frei für den Club-Kapitän, der im schicken Sportflitzer die Trophäe präsentiert. Am Hauptmarkt ist Nürnbergs Offensivtaktgeber dann angekommen. Der Meistertitel macht Morlock, wie er später sagen wird, besonders stolz. Schluss ist für den bereits 36-jährigen Leitwolf dennoch nicht. 1961 wird er zum Fußballer des Jahres gekürt, im Folgejahr führt er den FCN zum Pokalsieg. Gut dotierte Angebote ausländischer Vereine bleiben im Postfach. Morlock ist Nürnberger. Und selbsterklärend im August 1963 am ersten Spieltag der frisch etablierten Bundesliga der erste Club-Torschütze in Deutschlands neuer Eliteklasse.
Am 12. Mai 1964 beendet der inzwischen 39-Jährige seine großartige Karriere. Nach über 900 Spielen für den FCN. Frankens Vorzeigeverein bleibt er jedoch auch im Anschluss treu, als Berater, als Besucher der Heimspiele. Morlock ist mit dem Club verwachsen und der Club mit ihm. Auch abseits des Platzes ist er ein Vorbild. Frau Inge, die er im Mai 1950 - unmittelbar vor einem Spiel gegen Austria Wien - heiratet, und die Töchter Ursula und Birgit, erleben ihn als liebevollen Ehemann und Vater. Als "wahnsinnig großzügig und gutmütig", einen Menschen, der "für jeden ein offenes Ohr" hatte, beschreibt Tochter Ursula den Vater in einer Dokumentation der Medienwerkstatt Franken. Sie meint damit auch, wie der Papa in seinem Lotto-Toto-Laden in der Pillenreuther Straße auf die Menschen zugeht. Max Morlock, der einer "glücklichsten Menschen war, wenn er "früh aufstehen und ins Geschäft gehen konnte".
Max Morlock: Lebendig im Nürnberger Kollektivgedächtnis
Zu seiner Beisetzung auf dem Friedhof von St. Leonhard kommen nicht nur die noch lebenden Weltmeister von 1954 und die Weggefährten vom Club, sondern weit über 1500 Nürnberger Bürger. Dass der Maxl im Kollektivgedächtnis der Stadt lebendig ist, zeigen auch viele andere Beispiele. Das Stadion und ein Platz vor diesem sind ebenso nach ihm benannt wie ein Spielfeld am Neuen Zabo, ein Denkmal steht vor der Nordkurve des Max-Morlock-Stadions. Ein Name, für den die Fans lange gekämpft haben.
Im Mai 2015, kurz vor Morlocks 90. Geburtstag, flockte sich der FCN die Erinnerung an seinen Mega-Star auf die Arbeitskleidung, lief mit dem Konterfei des Herzensnürnbergers gegen Braunschweig auf. Im Dezember 2021 brachte der Club ein Sondertrikot auf den Markt. Ein Sachverhalt, den der Verein in einem netten Video mit Enrico Valentini und Heiner Müller auf seinen Social-Media-Kanälen auch adäquat verkaufte.
Einen Tag vor dem ersten Advent, beim letzten Heimspiel 2015 gegen Kiel, trug der FCN dieses Trikot aufs Feld. Wie Horst Eckel, ebenfalls Weltmeister von 1954 einmal erklärte: Max Morlock, der von diesem Trikot mit der Schale grüßt, "war keiner, der sich neben dem Platz in den Vordergrund drängte, aber auf und neben diesem ein großartiger Mensch".