So endete das Club-Jahr 1964

Silvester beim FCN: Als Luggi Müllers Rakete in den Kasten zischte

31.12.2021, 06:30 Uhr
Er verschaffte den Club-Fans im Jahr 1964 ein versöhnliches Silvester-Fest: Ludwig Müller (links, hier mit Theodor Hoffmann) traf am 31. Dezember für den FCN.  

© e-arc-tmp_20180308-081136-010.jpg, NN Er verschaffte den Club-Fans im Jahr 1964 ein versöhnliches Silvester-Fest: Ludwig Müller (links, hier mit Theodor Hoffmann) traf am 31. Dezember für den FCN.  

An das Tor konnte sich sein Schütze im Gegensatz zu anderen Kuriositäten drumherum gar nicht mehr erinnern. Auf den Weg brachte das Geschoss jedoch Luggi Müller, Nürnbergs Läufer, der mit dem 1. FC Nürnberg später einmal und mit Mönchengladbach noch später zweimal Meisterpartys feiern wird. 13 Minuten sind an jenem Silvesternachmittag 1964 im Städtischen Stadion noch zu spielen - und von Freudenfeuern keine Spur.

Mit 0:1 liegen die vom Haßfurter verzweifelt angetriebenen Hausherren hinten. An einem für ein Fußballspiel zweifelsfrei ungewöhnlichen Tag, an dem sich Luggi Müllers FCN, der VfB Stuttgart und 23.000 Zuschauer in Nürnberg verabredet haben. Bis zur 77. Minute eben, als der Aktivposten des lange Zeit zu einfallslosen Altmeisters Schwaben-Schlussmann Günter Sawitzki doch noch überrascht - mit einem Knallbonbon aus 25 Metern.

Dass der Unterfranke, seit Sommer 1964 erst für den Club am Ball, überhaupt ein Spielgerät beschleunigt an diesem Tag, kommt für den Ausgleichstorschützen mindestens so überraschend. Und bedeutet eine Bundesliga-Premiere und ein bis heute gültiges Fußball-Kuriosum.

"Ja, es war ungewöhnlich, weil es auch das erste Mal war, ganz klar", erinnerte sich Luggi Müller, der bürgerlich Ludwig Müller hieß, ein halbes Jahr vor seinem Tod daran, dass er Hauptdarsteller des Nürnberger Silvesterspiels war. "Es war etwas Neues, weil man es sonst immer gewohnt war, Silvester daheim im Kreis seiner Lieben zu sein, um etwas zu feiern und ein bisschen Abstand zu gewinnen von der ganzen Fußball-Geschichte", berichtet Ballbeschleuniger Müller dem Sportredakteur Philipp Roser damals am Telefon.

Der VfB hatte den Club kalt erwischt

Auf dem Platz geht die Fußball-Geschichte - der sonderbare Termin ist laut Spielbericht schlicht der Vorverlegung der Partie geschuldet - gut aus für den Club. Halbwegs zumindest. Dank Luggi Müller, der an diesem 31. Dezember 1964 dem FCN immerhin ein Unentschieden sichert. "So wanderten denn auch die Zuschauer mit einigermaßen Zufriedenheit im Herzen zu ihrer Silvesterfeier ab. Es hätte schlimmer als 1:1 kommen können", resümiert auch der Reporter der Nürnberger Nachrichten. Im Wissen darum, dass das Match nicht gut begonnen hatte und lange Zeit auch nicht besser wurde aus Sicht des FCN.

Bereits in der Frühphase der Begegnung hat der VfB den Club kalt erwischt. Nach einem fatalen Fauxpas von Leo Leupold hatte Torwart Roland Wabra nichts zu halten. Der Luggi-Müller-Club lag bereits nach vier Minuten in Rückstand und Stuttgart zog sich zurück.

"Als alle Angriffe an dieser verdichteten Deckung wie von einer Gummiwand abprallten, ohne dass Sawitzki dabei einmal gefährlich in die Enge hätte getrieben werden können, ahnte man das Unheil schon. Diese Ahnung trog nicht. Die Zeit bis zur Pause bestand praktisch in einem unaufhörlichen Anrennen des Clubs gegen das gegnerische Gehäuse. Aber bei diesem Dauerdruck vermissten die Zuschauer bald den alles niederreißenden Sprengstoff von den Flügeln her, von denen allein aus diese Mauer eventuell hätte aufgebrochen werden können", notieren die Nürnberger Nachrichten im explosiven Schreibstil dieser Zeit.

Luggi Müller ähnelt "einer kleinen Dampfmaschine"

Zumal sich in Hälfte zwei eben jener Luggi Müller beauftragt sieht, dass Offensivspiel des FCN weiter zu forcieren und "bald einer kleinen Dampfmaschine ähnelte, die nicht mehr zu bremsen war", "laufend Schießübungen veranstaltete", dabei "aber einmal sogar freistehend in guter Position nicht ins Schwarze traf". Noch nicht, muss man ergänzen. "Der Haßfurter ließ sich nicht beirren und schließlich gelang ihm, was die Zehntausenden sich schon nicht mehr ernstlich zu erhoffen getraut hatten - der Ausgleich, mit einer Granate übrigens, der Sawitzki nur mit offenem Mund nachstaunen konnte". Granate? Feuerwerk? Genug Knall-Bumm-Peng? Freilich, war es dann ja auch.

Und Luggi Müller? Hatte seine Beteiligung am Nürnberger Silvesterspiel gar nicht so gewaltig im Kopf . "Das 1:1 gerettet? Na prima! Wenn ich ganz ehrlich bin - da kann ich mich fast gar nicht mehr daran erinnern. Ist auch verständlich, es ist ja dann im Laufe meiner aktiven Zeit noch soviel dazugekommen", ließ der sechsmalige Nationalspieler damals ausrichten.

Eine mit ihm in Verbindung stehende Kuriosität bei diesem Kuriositätenspiel hatte der damals 79-Jährige derweil sofort auf der Platte - seine Blinddarm-OP in Schweinfurt, nur eine Woche vor der Partie. "Ich habe nach drei Tagen schon wieder das Training angefangen, da waren noch die Fäden drin! Die Fäden waren auch noch beim Spiel drin, weil ich mir gesagt habe, es kann nicht schaden. Und es ist gutgegangen." Raketenstark sogar.

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