Nach der vierten Corona-Welle

Kurze Atempause für Bayerns Kliniken? So könnte es weitergehen

19.1.2022, 18:00 Uhr
Kurze Atempause für Bayerns Kliniken? So könnte es weitergehen

© Merzbach/News5

Der limitierende Faktor bei der Versorgung von Corona-Patienten ist nach wie vor der Umstand, dass in den Kliniken nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung steht. Und dieses Problem könnte sich nicht nur durch die höhere Ansteckungsgefahr von Omikron verschärfen, sondern auch durch die bald geltende Impfpflicht im Gesundheitswesen.

Die Impfquote beim Personal in den Kliniken liegt zwar bei über 90 Prozent, die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) sieht dem 15. März dennoch mit einer gewissen Anspannung entgegen. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen geimpft oder genesen sein, andernfalls riskieren sie eine Kündigung. "Selbst wenn das nur bei fünf Prozent des Personals der Fall wäre, wäre das eine echte Katastrophe für uns. Das müssten nicht nur die restlichen Mitarbeiter, sondern letzten Endes auch die Patienten ausbaden", sagt BKG-Sprecher Eduard Fuchshuber.

Impfpflicht gilt nicht nur fürs medizinische Personal

Unter anderem müssten wohl viele planbare Eingriffe weiter verschoben werden, wenn manche Beschäftigte aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht von der Fahne gehen. Diese Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes gilt zudem nicht nur für das medizinische Personal, sondern unter anderem auch für Verwaltungsangestellte und Reinigungskräfte.

Das könnte die Situation zusätzlich erschweren, weshalb die Kliniken im Freistaat schon vor geraumer Zeit Krisenpläne für die verhängnisvolle Kombination von zusätzlichen Kündigungen und Personalausfällen aufgrund höherer Ansteckungszahlen sowie Quarantäne-bedingten Ausfällen durch die Omikron-Variante ausgearbeitet haben. Mit Blick auf die fünfte Welle hat zum Beispiel das Klinikum Fürth mit einer Zeitungsanzeige und Aufrufen in den sozialen Netzwerken um zusätzliche Helferinnen und Helfer geworben. Über 20 Personen wurden in den vergangenen Tagen geschult, unter den Hilfskräften sind laut Klinikumssprecherin Carmen Brückner auch "sehr motivierte Rentner" wie eine ehemalige Hebamme und eine frühere Gynäkologin.

Noch ist solche Unterstützung zwar sehr willkommen, aber für die Aufrechterhaltung des Betriebs nicht ganz so entscheidend. Schließlich liegen die Zahlen von stationär behandelten Corona-Opfern im Freistaat aktuell deutlich unter den Höchstständen während der vierten Welle, die vor eineinhalb Monaten erreicht worden waren. 4813 Covid-19-Patienten lagen laut dem Gesundheitsministerium am 29. November 2021 in den bayerischen Krankenhäusern, die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Menschen erreichte am 2. Dezember mit 1084 Personen ihren Höhepunkt. Die meisten Corona-Toten waren dann zwischen dem 21. und 27. Dezember zu beklagen. 956 Menschen in Bayern starben laut den Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) in der 52. Kalenderwoche in Verbindung mit Covid-19, also durchschnittlich rund 140 pro Tag.

Aktuell liegen 381 Corona-Patienten auf den Intensivstationen

Zuletzt wurden vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 1651 stationär behandelte Corona-Patienten in Bayern ausgewiesen, also etwa ein Drittel des Höchstwerts während der vierten Welle. Und auch die jüngste Zahl von 381 mit Covid-19-Opfern belegten Intensivbetten liegt deutlich unter dem traurigen Rekord im November.

Extrem belastet in dieser Phase waren natürlich auch die Krankenhäuser in der Region, im Klinikum Nürnberg zum Beispiel mussten sich Ärzte und Pflegekräfte Anfang Dezember zeitgleich um bis zu 200 Corona-Patienten kümmern. Knapp 40 davon waren in jenen Tagen auf den Intensivstationen der beiden Standorte Nord und Süd untergebracht. 661 der über 3600 im Klinikum behandelten Patientinnen und Patienten sind seit dem Beginn der Corona-Pandemie an den Folgen ihrer Covid-19-Erkrankung verstorben.

Im Uniklinikum Erlangen sind seit dem 1. Februar 2020 über 1400 Corona-Opfer stationär und 490 zudem intensivmedizinisch behandelt worden, 281 Menschen überlebten die Infektion trotz aller ärztlichen Bemühungen nicht. Das Maximum an zu versorgenden Covid-19-Patienten während der vierten Welle auf den Normalstationen wurde im Uniklinikum am 23. November mit 43 Patienten erreicht. Auf der Intensivstation lagen in der Zeit zwischen dem 1. und dem 17. Dezember 30 bis 32 Menschen mit schweren und zum Teil lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen.

"Viel Spielraum gab es nicht mehr"

Bestand in den Krankenhäusern in der Region zu irgendeinem Zeitpunkt die Gefahr, dass man aufgrund der restlos ausgeschöpften Ressourcen die Versorgung der Corona-Patienten nicht mehr in vollem Umfang gewährleisten konnte? "Nein, das war bislang zum Glück nicht der Fall, aber die Belastung der Mitarbeitenden war teilweise sehr sehr hoch. Viel Spielraum nach oben gab es tatsächlich nicht mehr", sagt Johannes Eissing, Sprecher des Uniklinikums Erlangen. Nur durch ein straffes Krisenmanagement im Zusammenspiel mit den umliegenden Kliniken habe das abgefedert werden können.

Auch das Klinikum Nürnberg stimmte sich während der vierten Welle immer wieder mit anderen Häusern ab. "Die Kliniken der Metropolregion waren und sind untereinander in ständigem Kontakt - quasi 24 Stunden am Tag/sieben Tage die Woche - sodass man sich gegenseitig immer solidarisch unterstützt und geholfen hat", berichtet Klinikumssprecherin Sabine Stoll. Nürnberg habe oft Patienten von anderen Häusern übernommen, in einigen Fällen sei das Klinikum aber auch entlastet worden.

"Allerdings konnten wir leider etliche Anfragen von anderen, überregionalen Krankenhäusern nicht bedienen, die unserem Haus wegen seiner Expertise als Maximalversorger Patienten zuweisen wollten", bedauert Sabine Stoll. Besonders belastet während der vierten Welle waren zunächst die Einrichtungen im südlichen Oberbayern und in der Stadt München, später wurden dem bayerischen Gesundheitsministerium auch erhebliche Auslastungs- beziehungsweise Überlastungszahlen aus Schwaben, Niederbayern und auch aus Mittelfranken gemeldet.

Teilweise Wartezeiten von mehr als einem halben Jahr

Wie eingangs erwähnt, mussten wegen der Vielzahl von Corona-Fällen in Bayern zahlreiche planbare Eingriffe verschoben werden. Am Uniklinikum Erlangen etwa gab es 2021 insgesamt rund 4000 Operationen weniger als im Kalenderjahr 2019. "Das entspricht einem Rückgang von rund elf Prozent im Vergleich zur Vor-Coronazeit", erklärt Johannes Eissing. Doch auch wenn es nicht immer leicht gewesen sei, konnten alle Notfälle operativ versorgt werden.

In Nürnberg schiebt man ebenfalls Operationen vor sich her, auch wenn die Verantwortlichen laut Pressestelle "jede sich auftuende Lücke nutzen, um OPs nachzuholen". Die Notfallversorgung sei immer sichergestellt gewesen, betont Sabine Stoll, aber die "Bugwelle" von verschobenen Operationen habe sich ja nicht nur in der vierten Welle, sondern über alle Wellen der Pandemie hinweg aufgebaut. "In einigen Fachbereichen gibt es leider Wartezeiten von mehr als einem halben Jahr", berichtet ihr Kollege Johannes Eissing.

Und diese "Bugwelle" wird angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen wohl nicht so schnell auslaufen. Im Klinikum Nürnberg zum Beispiel beträgt der Anteil der mit der Omikron-Variante infizierten Corona-Patienten inzwischen 65 Prozent.