Die Community soll helfen

Sion von Sono Motors: Aus für das bayerische Solarauto?

Ulla Ellmer

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10.12.2022, 09:18 Uhr
Statt einer sonnigen Zukunft droht dem Sion die Sonnenfinsternis.

© Hersteller Statt einer sonnigen Zukunft droht dem Sion die Sonnenfinsternis.

Der Ansatz besitzt eine ganze Menge Charme: Ein Elektroauto, das sich nicht nur an der Ladesäule mit Strom versorgt, sondern ihn selbst produziert – und zwar denkbar umweltfreundlich, nämlich mithilfe von Photovoltaik-Elementen auf der Außenhaut.

Einen ersten Prototyp des Sion hat das Start-up Sono Motors bereits 2016 vorgestellt. Die jungen Köpfe dahinter waren Laurin Hahn, Navina Pernsteiner und Jona Christians, ein sympathisches Trio voller Optimismus, Überzeugung und frischer Ideen. Tatsächlich wurde das Sion-Konzept gefeiert, viele Elektroauto-Interessenten begeisterten sich so sehr für den sonnigen Minivan, dass sie eine Anzahlung von (mindestens) 500 Euro leisteten und so eine Reservierung vornahmen.

Auf ihr Auto warten sie noch immer. Und möglicherweise bekommen sie es nie. Den bis heute ist der Sion noch nicht einmal in die Produktion gegangen, die in einem ehemaligen Saab-Werk im schwedischen Trollhättan stattfinden sollte. Immer wieder wurde der Start verschoben, zuletzt war von 2024 die Rede. Jetzt bestätigen sich die bösen Vorahnungen: Die Homepage von Sono Motors trägt Trauer, auf tiefschwarzem Hintergrund steht der Satz: „Wir haben es nicht geschafft“.

Aber dann geht es weiter: „Du entscheidest“. „Du“, das ist der Kunde. Er – und nicht nur einer, sondern viele, sehr viele – sollen dem Sion-Projekt „eine letzte Chance“ geben, wie Jona Christians und Laurin Hahn in einer Mitteilung schreiben. Im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne (#saveSion) werden 3500 Kunden gesucht, die das Solarauto schon jetzt kaufen, zu einem Zeitpunkt also, an dem noch kein einziges Serienexemplar gebaut worden ist. Dafür sollen sie einen ermäßigten Kaufpreis von 27.000 Euro bezahlen und erhalten dann eine feste Wartelistennummer. Die Anzahlungen, heißt es, seien nur im Falle des Erfolgs der Kampagne fällig. Die Aktion endet nach 50 Tagen, also Ende Januar 2023. „Jeder Euro zählt“, sagen Christians und Hahn beinahe flehentlich.

Sion mit Publikum: Jetzt soll eine zahlungsbereite Community helfen. Auch Spenden oder Darlehen würden helfen, heißt es bei Sono Motors.

Sion mit Publikum: Jetzt soll eine zahlungsbereite Community helfen. Auch Spenden oder Darlehen würden helfen, heißt es bei Sono Motors. © Sono Motors

Es ist nicht das erste Mal, dass der Sion ins Schleudern gerät. Schon 2019 rettete die Community ihr Wunschprojekt mit einer Crowdfunding-Aktion, die innerhalb von 50 Tagen mehr als 50 Millionen Euro an Zahlungszusagen einbrachte. Und im vergangenen Jahr entschieden sich Christians und Hahn für einen Börsengang in den USA, auch das diente dazu, eine drohende Insolvenz abzuwenden.

Bisher haben laut Sono Motors rund 21.000 Privatpersonen eine Reservierung für den Sion vorgenommen, hinzu kommen 22.000 Vorbestellungen von Flottenbetreibern. Scheitert das Auto-Projekt, bedeutet das nicht gleichzeitig das Aus für das Münchner Unternehmen selbst, es will sich dann auf sein zweites Standbein konzentrieren, der Entwicklung von Solarlösungen für Lastwagen und Busse.

Der Sion ist ein 4,29 Meter langer Minivan, der von einem 120 kW/163 PS starken Elektromotor angetrieben wird. Als Energiespeicher dient eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie mit 54 kWh Kapazität, die eine Reichweite von 305 Kilometern verspricht – noch ohne die Bonus-Strecke, die sich mithilfe der in Motorhaube, Kotflügel, Seiten, Dach und Heck eingearbeiteten Solarpanels ergibt. Herstellerseitig ist von durchschnittlich 112 Extra-Kilometern pro Woche die Rede.

Gründer-Trio: Navina Pernsteiner, Jona Christians, Laurin Hahn.

Gründer-Trio: Navina Pernsteiner, Jona Christians, Laurin Hahn. © Sono Motors

Das Problem mit dem Sion ist, dass er trotz der fortschrittlichen Solartechnik seine Chance wahrscheinlich längst verpasst hat. Die hätte er spätestens 2019 wahrnehmen müssen, als die Elektromobilität in den Anfängen steckte und gewitzte Start-ups noch die Möglichkeit hatten, den elektrisch unsortierten großen Herstellern eine lange Nase zu drehen. Inzwischen haben die anderen ein breites E-Angebot aufgebaut, bei dem sich die elektroaffine Kundschaft umfänglich bedienen kann. Auch die Idee mit der Photovoltaik ist von den etablierten Autobauern schon umgesetzt worden – Toyota Prius und bZ4X, Hyundai Ioniq 5 und Genesis Electrified G80 bieten zumindest ein Solardach. Und Lightyear aus den Niederlanden bewirbt seinen Lightyear 0 sogar als „Langstrecken-Solarauto“ und steht mit ihm schon in den Startlöchern.

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