Ein Ort mit spannender Geschichte

Frühere Sparkasse in Eberhardshof: Auf dem Gelände stand einst die prachtvolle Eisenbahnervilla

27.2.2024, 18:59 Uhr
 Seit 1981 stehen der neue U-Bahnhof mit Sparkasse und ein Bürogebäude der VAG an der Stelle der „Straßenbahnervilla“ und des Pförtnerhauses.

© Sebastian Gulden, NNZ  Seit 1981 stehen der neue U-Bahnhof mit Sparkasse und ein Bürogebäude der VAG an der Stelle der „Straßenbahnervilla“ und des Pförtnerhauses.

Die frühere Sparkassenfiliale an der Maximilianstraße 41 steht unter Denkmalschutz. Die einen freut’s, die anderen weniger. Wir jedenfalls freuen uns, Ihnen wieder ein spannendes Stück Nürnberger Stadt- und Architekturgeschichte näherbringen zu dürfen.

Hui, da ging’s rund in den Gazetten, als zum Jahresende 2023 die Meldung die Öffentlichkeit erreichte, dass das Sparkassengebäude mit Bushaltestelle und U-Bahn-Zugang in der Maximilianstraße 41 in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen wurde. Alle waren sprachlos: Die einen vor Begeisterung, die anderen aus Verständnislosigkeit und wieder andere – die Sparkasse und die Stadt –, weil sie von dieser Entscheidung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege überrollt worden waren. Klar ist, dass alle großen Pläne von wegen Neubebauung dahin sind.

Eine Villa für die Straßenbahner

Der Verkehr spielte hier schon eine Rolle, als der auffällige Bau noch nicht ansatzweise in Planung war. Ältere Semester werden sich an die im Volksmund so genannte „Straßenbahnervilla“ (unter den Straßenbahnern schlicht „die Villa“) erinnern, die einst das Eckgrundstück einnahm.

Der nagelneue MAN-Versuchswagen 702 passiert 1913 die „Straßenbahnervilla“. Damals befand sich das Gebäude noch im originalen Zustand.

Der nagelneue MAN-Versuchswagen 702 passiert 1913 die „Straßenbahnervilla“. Damals befand sich das Gebäude noch im originalen Zustand. © Archiv der VAG Nürnberg, NNZ

Dahinter erstreckte sich der ab 1881 erbaute Betriebshof der Nürnberg-Fürther Straßenbahn mit seinen Wagenhallen, Werkstätten und Stallungen für die Pferde, die bis zur Elektrifizierung des Betriebs 1896 die Wagen zogen. 1914 wurde die Hauptwerkstatt in einen imposanten Jugendstilneubau im westlich gelegenen Muggenhof ausgegliedert.

In den 1950er-Jahren geht das Fahrpersonal täglich im Pförtnerhäuschen an der Hofeinfahrt Fürther Straße ein und aus. 

In den 1950er-Jahren geht das Fahrpersonal täglich im Pförtnerhäuschen an der Hofeinfahrt Fürther Straße ein und aus.  © Archiv der VAG Nürnberg, NNZ

Obschon das prunkvolle Äußere des Sandstein- und Ziegelbaus im Stil der Neorenaissance vermuten ließ, dass es sich um das herrschaftliche Anwesen eines Industriellen handelte, diente die Straßenbahnervilla seit ihrer Vollendung 1897 als Verwaltungsgebäude der Straßenbahngesellschaft, in der auch der Direktor wohnte.
In einer Zeit, die den technischen Fortschritt und die Kunst der Altvorderen gleichermaßen adelte, war es nicht ungewöhnlich, auch Bauten des Verkehrs schlossartige Formen zu verleihen.

Der Architekt war wohl ein Fürther

Da die Bauakten nicht greifbar sind, bleibt es in der Frage des Architekten bei (begründeten) Vermutungen: Er ist wohl mit dem jungen Fürther Architekten Adam Egerer zu identifizieren, der 1897 bis 1898 auch das benachbarte Pförtnerhaus mit Fahrdienstleiterbüro, Telefonzentrale und Aufenthaltsraum sowie das zugehörige Tor mit Einfriedung entwarf. 1894 hatte Egerer mit der Villa Spiegelberger in Fürth ein Wohnhaus erbaut, das qua Aufriss und Stilistik einige Parallelen zur Straßenbahnervilla aufweist.

Ein Opfer des Fortschritts

Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Haus überschaubare Schäden durch Luftdruck, die das Dach teilweise abdeckten, die Gauben demolierten, Giebelbekrönungen und Ziergitter fällten. Schließlich aber fiel der Prunkbau genau jenem technischen Fortschritt zum Opfer, dem er einst seine Entstehung verdankt hatte: An seiner Stelle nämlich sollte der Zugang zum neuen U-Bahnhof Maximilianstraße entstehen.

Auf diesem Foto von 1978 scheint es, als stünde die inzwischen leicht veränderte Villa für die Ewigkeit. Davor verkehren Gelenkwagen aus den 1960-Jahren auf der Fürther Straße.

Auf diesem Foto von 1978 scheint es, als stünde die inzwischen leicht veränderte Villa für die Ewigkeit. Davor verkehren Gelenkwagen aus den 1960-Jahren auf der Fürther Straße. © Archiv der Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e. V. / Rudolf Grüner, NNZ

Doch im Juli 1978 gruben sich die Baggerschaufeln in die Mauern des Verwaltungsgebäudes. Immerhin sollten Teile des Skulpturenschmucks geborgen werden. 

Doch im Juli 1978 gruben sich die Baggerschaufeln in die Mauern des Verwaltungsgebäudes. Immerhin sollten Teile des Skulpturenschmucks geborgen werden.  © Archiv der Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e. V. / Johann Schwiewagner, NNZ

Auch die neu erwachte Sensibilität für die Belange des Denkmalschutzes vermochte daran nichts zu ändern, zudem die Villa nicht in der kurz zuvor fertiggestellten ersten Bayerischen Denkmalliste verzeichnet war. Und so gruben sich 1978 die Baggerschaufeln in die Mauern der Villa und des Pförtnerhauses.
Gleichwohl erkannten die Stadt Nürnberg und ihr Planer Albin Hennig die städtebaulich sensible Lage, als sie 1979 bis 1981 den Nachfolgebau der Straßenbahnervilla ins Werk setzten.

Filigrane Stützen für das braune Metalldach

Über dem Zugang zum U-Bahnhof entstand ein filigraner Pavillonbau, dessen schlanke Stützen aus Waschbeton von drei in der Höhe gestaffelten, an den Ansichtsseiten abgeschrägten Tonnendächern mit einer Verkleidung aus braun gestrichenem Metallblech bekrönt werden. Ein Bau, der mit seinen ungewöhnlichen Formen und dem intensiven Licht- und Schattenspiel wie eine Skulptur wirkt und es durch seine vergleichsweise zierlichen Maße und die zurückgesetzte Position vermeidet, das Straßenbild an der Kreuzung durch eine weitere gewaltige Baumasse förmlich zu „erschlagen“.

Die Ecklage war günstig

Dank der Ecklage ließ sich die Station zudem perfekt mit einem kleinen Busbahnhof mit Einfahrten von der Fürther und der Maximilianstraße verknüpfen. Die Laden- und Büroflächen im Inneren bezog eine Zweigstelle der Stadtsparkasse. Seit deren Schließung im August 2023 nutzt die Künstlergruppe „Der Kreis“ sie als Ausstellungsfläche.

Für nicht wenige Nürnbergerinnen und Nürnberger, gerade für die jüngeren, bleibt die Frage: Wie konnte man nur? Die Frage ist berechtigt. Doch hat es wenig Sinn, Hennigs Neubau zu verdammen.

Der wahre Wert wird sich zeigen

Ein Neubau oder eine Rekonstruktion der Straßenbahnervilla, die nicht wenige herbeisehnen, wäre finanziell und (aufgrund der nicht mehr vorhandenen Werkpläne) technisch unmöglich – und würde ein Baudenkmal vernichten, dessen wahren Wert vielleicht erst unsere Kinder und Kindeskinder bemessen können.

Ein herzliches Dankeschön geht an Andreas Neuer vom Verein Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V., der uns mit wertvollem Bildmaterial und Informationen zur Straßenbahnervilla versorgt und mit Expertenaugen geprüft hat!


Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie noch historische Fotografien oder Darstellungen eines Schauplatzes in Nürnberg? Dann schicken Sie uns diese bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: NN/NZ, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail an redaktion-nuernberg@vnp.de

Noch viel mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel


Aufwendig recherchierte Artikel wie dieser sind in der Regel nur für Abonnenten lesbar – als besonderes Geschenk stellen wir diesen Text aber allen Nutzern zur Verfügung. Alle exklusiven Inhalte lesen Sie hier auf NN.de.

Verwandte Themen


Keine Kommentare