26:23 bei der Red Party

Energieleistung gegen Stuttgart: Der HCE setzt sich in seinem Abstiegsendspiel durch

Andreas Pöllinger

Online-Redaktion, Sport

E-Mail zur Autorenseite

29.5.2024, 20:54 Uhr
Half dem HCE im zweiten Durchgang mit seinem Behauptungsvermögen sehr: Nico Büdel.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Half dem HCE im zweiten Durchgang mit seinem Behauptungsvermögen sehr: Nico Büdel.

Rot war nicht nur der Dresscode, sondern blinkten am Kurt-Leucht-Weg auch die Warnlichter. Vor dem letzten Heimspiel einer komplizierten Saison war der Klassenerhalt des HC Erlangen noch nicht sicher. Nach dem harterkämpften und verdienten 26:23 (13:12) gegen den TVB Stuttgart in einer keinesfalls einfachen Partie gilt das auch. Von seiner weiteren Erstliga-Zugehörigkeit darf Erlangens Vorzeigeverein aber sehr stark ausgehen. Diese Wahrnehmung vermittelten auch die 7777 Zuschauer in der proppenvollen Arena, die trotz der verständlichen Alarmsignale im Vorfeld und der im Anschluss reduzierten Red Party das Heimteam frenetisch feierten.

Vier Zähler beträgt nach dem Maximalerfolg der Vorsprung auf den Bergischen HC. Beim Zweiten in Berlin und gegen den Dritten aus Flensburg muss der BHC nun jeweils gewinnen, um mit den Rot-Blauen - ihre Niederlage zum Abschluss in Hannover vorausgesetzt - noch an Punkten gleichzuziehen.

HC Erlangen: Die Anspannung entlädt sich

Dass sie nicht auf den Verfolger schauen, auch nicht auf das Schiedsgerichtsurteil warten wollen, das am Donnerstag über Hamburgs weitere Erstliga-Zugehörigkeit entscheidet, hatten die HCE-Spieler vor dem "Vier-Punkte-Spiel" gegen Stuttgart ausreichend oft erklärt. Aus der Konzentration auf sich schöpfte Erlangen Kraft. Die notwendige Anspannung, die sich von Beginn an in energischen Angriffsanstrengungen entlud, half bei einem guten Start.

Nach einer ersten Ferlin-Parade im kurzen Eck traf Antonio Metzner mit langem Anlauf zur Führung. Christoph Steinert, der gegen Magdeburg aufgrund einer im Training erlittenen Schulterverletzung nicht hatte helfen können, erzielte das 2:1.

Dass sich der HCE gegen den Turnverein Bittenfeld erheblich strecken musste, war jedoch auch danach klar. Zwei Siege in den letzten drei Partien hatten beim TVB, vor wenigen Wochen im Keller quasi noch gleichauf mit Erlangen, als Brustlöser gewirkt. Die Schwaben streben, aller Abstiegssorgen damit ledig, einen neuen Punkterekord an. Etwas, wovon auch der ein oder andere HCE-Akteur vor rund zwei Monaten noch fabuliert hatte. Und etwas, das mit Blick auf die etwa gleichlange Bundesliga-Geschichte der Kontrahenten zeigt, wie nah im elitären Handball-Wettbewerb der Republik eine letztlich erfolgreiche Spielzeit und eine potenzielle Horrorsaison tatsächlich beieinanderliegen.

Jeppsson verabschiedet sich vom HCE prächtig

Von einem Horrorspiel war der HCE in der Anfangsphase jedenfalls weit entfernt. Im Klatschpappensturm der rotleuchtenden Arena lag er nach einem Dreher von Stuttgart-Spielmacher Egon Hanusz gleichwohl mit 2:3 hinten (6.). Eine Monsterparade von Ferlin und die fortwährende Unterstützung der Heimfans verhinderten einen höheren Rückstand. Nach einem Prachtwurf von Jeppsson führte man wenig später wieder. Es sah gut aus für den HCE. Christopher Bissel schweißte den Ball in den Winkel. Bertram Obling, der zwischen den rot-blauen Pfosten übernommen hatte, wollte Ferlin in nichts nachstehen und reihte nun Parade an Parade.

Weil Steinert, der wie Tim Zechel in Alfred Gislasons vorläufigem Olympia-Aufgebot steht, seine Nervenstärke vom Siebenmeterstrich nicht ein zweites Mal binnen kurzer Zeit nachwies, verpasste es Erlangen aber, auf 7:4 davonzuziehen. Weil die Hausherren in der Folge zu kompliziert agierten, stand es wenig später stattdessen 6:6. Der HCE war nach Ende der Bergkirchweih wieder einmal im Gefühlskarussell, was mit einer erneut wechselhaften Leistung korrelierte. Zwei wunderbare Würfe von Jeppsson halfen aus dem Zwischentief. Nachdem Obling zum wiederholten Mal stark pariert hatte, verantwortete Zechel das 9:6 (20.). Bissel und Gömmel aktualisierten die Drei-Tore-Führung.

Die große, bunte Obling-Show in Nürnberg

Abgesetzt hatte sich Erlangen damit wie in vielen Spielen davor aber nicht. Schnell wurde es trotz der unnachgiebigen Anfeuerung wieder enger für die Gastgeber, die in ihrem Abstiegskampf so viele Chancen zur Vorentscheidung bereits ausgelassen hatten. Stuttgart-Star Kai Häfner brachte die Gäste mit cooler Genauigkeit heran. Obling parierte zwar weiter, den erneuten Ausgleich konnte der Däne, der mit sechs Paraden im ersten Durchgang glänzte, aber nur aufschieben. Dass Stefan Bauer in dieser Phase das 12:11 machte, war immens wertvoll (27.). Dass Bissel kurz darauf einen Gegenstoß mit brutaler Konsequenz finalisierte, war ebenfalls wichtig. Zupackend in der Abwehr verteidigte der HCE eine Minimalführung in die Kabine.

Vorzuwerfen hatte sich Erlangen in einem Spiel, in dem ihm der Druck im Abstiegskampf immer wieder anzumerken war, wenig. Dass Tim Zechel kurz nach Wiederbeginn, am Kreis nach einer flotten Kombination perfekt in Szene gesetzt, das Spielgerät rechts neben den Kasten pfefferte, machte es gleichwohl nicht leichter. In der lauten Halle behielt der HCE im Positionsspiel allerdings die Ruhe. Metzner organisierte ihm das 14:12 (33.). Ein erwachsener und entschlossener Vortrag ermöglichten Erlangen in der Folge erneut, etwas Luft zwischen sich und Stuttgart zu bringen. Als Bissel einen Tempoangriff erfolgreich abgeschlossen hatte, führte er 17:14. Und Hey-Hey-Hey-Rufe mischten sich in die Jubelschreie und den Dauerapplaus.

Der TVB war nun gefordert, konfrontiert mit Oblings Paraden, Erlangens Härte und einem Tim Zechel, der treffsicher blieb. Ein Polster war jedoch auch diese Führung nicht. Kurz nachdem Bauer mit seinem Wurf die Unterkante der Latte erschüttert hatte, war der HCE in Unterzahl und der Gast nach dem 18:18 wieder vollkommen auf Augenhöhe.

Büdels Zug zum Stuttgarter Tor wird wertvoll

Erneut tat sich Erlangen schwer, Metzner scheiterte an Silvio Heinevetter im TVB-Tor. Dass auf der Gegenseite Obling alle Stuttgarter zur Verzweiflung trieb, war das Pfand dafür, dass die Partie nicht in die andere Richtung kippte. Büdels Zug zum Gäste-Gehäuse ermöglichte das 19:18 in einem Duell, das wie das Hinspiel am Neckar zusehends zum Nervenspiel wurde.

Die Supporters Crew hüpfte, Büdel auch und markierte in Unterzahl das 20:18. Zeitstrafen sammelte der HCE in dieser Phase wie andere Gartenzwerge. Standhielt Erlangen dennoch, Obling eh. Die Crunchtime hatte im ohrenbetäubenden Arena-Lärm längst begonnen, als Bauer sich von nichts und niemandem aufhalten ließ und das 21:19 erzielte (49.). Anstrengend blieb es allerdings auch danach. Selbst, als Gömmel leichtfüßig das 22:21 besorgte. Büdel schimpfte nach einem Beinahe-Ballverlust, den er im Hechtsprung reparierte. Heiny verzweifelte an Heinevetter. Gömmels kurz angelegter Trickwurf nach langem Flug, der das 23:21 bedeutete, kam nur vermeintlich der Erlösung gleich (54.).

Seitz beseitigt die Restzweifel

Es blieb unfassbar eng. Alle standen in der Arena, als Steinerts sicher verwandelter Siebenmeter erneut eine Zwei-Tore-Führung markierte. Der HCE hatte nun Alu-Glück. Das Glück schien zu in dieser Saison so oft unglücklichen Erlangern nun generell zurückzukehren. Als Heiny, von den Stuttgartern hart bedrängt, das 25:22 bewerkstelligt hatte (58.), bekam man eine Vorstellung davon, dass es für den HCE nach acht sieglosen Spielen reichen würde zum heißersehnten Maximalerfolg. Die Arena hatte sich längst schon in ein rotes Jubelmeer verwandelt, als Stephan Seitz die letzten Zweifel an diesem so wichtigen Sieg beseitigte.

HC Erlangen: Ferlin, Obling; Zechel 5, Bissel 4, Steinert 3/3, Gömmel 3, Jeppssson 3, Büdel 2, Metzner 2, Bauer 2, Heiny 1, Seitz 1.

Verwandte Themen


Keine Kommentare