Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen

Höchste Inzidenz in Deutschland: Arzt aus Altmühlfranken rät zu vierter Corona-Impfung

Judith Horn

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10.6.2022, 15:00 Uhr
Eine violette medizinische Maske liegt auf einer Straße. Das Gesundheitsamt Weißenburg-Gunzenhausen empfiehlt, bei Zusammenkünften in Innenbereichen weiterhin das Tragen einer FFP2- oder medizinischen Maske.

© Matthias Balk, dpa Eine violette medizinische Maske liegt auf einer Straße. Das Gesundheitsamt Weißenburg-Gunzenhausen empfiehlt, bei Zusammenkünften in Innenbereichen weiterhin das Tragen einer FFP2- oder medizinischen Maske.

Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist Spitzenreiter in Deutschland bei den Corona-Infektionszahlen. Laut RKI liegt die 7-Tage-Inzidenz derzeit bei 1037,7 (Stand Freitag). Der Versorgungsarzt im Landkreis, Dr. Peter Löw aus Treuchtlingen, rät zu einer vierten Corona-Impfungen - auch bei jungen Menschen.

Veranstaltungen abgesagt

"Über das Pfingstwochenende sind die Corona-Infektionszahlen im Landkreis wieder stark angestiegen", schreibt das Amt in einer Pressemitteilung. In der Bevölkerung ist bekannt, dass sich vermutlich viele Menschen auf dem mehrtägigen Fest der Freiwilligen Feuerwehr Degersheim-Rohrach Ende Mai angesteckt haben.

Der Koordinierungsarzt im Landkreis, Dr. Peter Löw, rät zu einer vierten Corona-Impfung.

Der Koordinierungsarzt im Landkreis, Dr. Peter Löw, rät zu einer vierten Corona-Impfung. © Privat, NN

Im Nachgang zu der 120-Jahr-Feier mussten zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden, weil Besucher an Corona erkrankt waren (wir berichteten).

Während das Landratsamt am Dienstag noch bestätigte, dass es "in der vergangenen Woche vermehrt zu Neuinfektionen im Bereich des Hahnenkamms" gekommen sei, heißt es in der Meldung vom Freitag: "Der enorme Anstieg der Infektionen kann nicht auf einzelne Ereignisse zurückgeführt werden. Das Infektionsgeschehen verteilt sich auf den gesamten Landkreis."

Ideale Zustände

Der Treuchtlinger Allgemeinmediziner Dr. Peter Löw, seit der Pandemie Koordinierungsarzt im Landkreis, sagt auf Anfrage, dass man niemanden beschuldigen könne und dürfe. Aber bei einer Veranstaltung wie einem mehrtägigen Feuerwehrfest "braucht nur einer dabei sein, der hochinfektiös ist. Das ist ein Szenario, mit dem wir bei allen Großveranstaltungen rechnen müssen."

Im Bierzelt oder Festen in Innenräumen säßen eben viele Menschen eng beieinander - für die aktuell grassierenden Omikron-Varianten ideale Zustände. "Jede Großveranstaltung ist ein denkbares Multispreader-Ereignis."

Gegen Omikron gebe es bisher noch keinen Impfstoff, sagt Löw. Und: Bei vielen Menschen in der Bevölkerung sei die zweite oder dritte Impfung schon ein Viertel- oder ein halbes Jahr her und der Impfschutz habe nachgelassen.

Länger symptomfrei

Was Löw beobachtet: Es gebe derzeit viele Geimpfte, die einen niedrigen Ct-Wert haben, also hochinfektiös seien. "Die sind dann eben in der Lage, andere Leute anzustecken, deren Impfschutz nachlässt."

Ein weiteres Problem sei, dass Ungeimpfte länger symptomfrei sind als Geimpfte. Der Körper müsse sich, wenn er das Virus noch nicht durch eine Impfung kenne, erst sortieren. "Ein Ungeimpfter kann also länger keine Symptome haben, aber bereits hochansteckend sein."

Der bisher verimpfte Stoff habe vor allem vor den bisherigen Virusvarianten geschützt, erklärt der Mediziner: "Bisher hatten wir - ganz plastisch ausgedrückt - mittelfränkische, unterfränkische oder oberbayerische Viren. Sie hatten unterschiedliche Dialekte, waren aber bayerische Viren."

Eigenständige Virusfamilien

Die neueren Omikron-Varianten hingegen seien - um im Bild zu bleiben - ein tibetanisches Hochland oder ein mongolisches Schafhirtenvirus, erklärt Löw anschaulich. "Das sind völlig eigenständige Virusfamilien. Die Impfungen helfen dagegen nicht oder nur eingeschränkt."

Dennoch empfiehlt Löw nicht nur Hochrisikopatienten und Älteren eine vierte Impfung, sondern auch jungen Menschen. Der aktuell verfügbare Impfstoff biete zwar selbst im besten Fall nur einen 60-prozentigen, vorübergehenden Schutz gegen Omikron, "aber neben den Masken ist das alles, was wir im Moment haben".

Löw hat auch in seiner Praxis beobachtet, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung seit Wochen zurückgehe. Für den Herbst befürchtet der Experte deshalb, dass wieder viele Menschen krank werden. "Der Großteil muss dann zwar nicht auf intensiv, aber das gesellschaftliche Leben kann dennoch wieder lahmgelegt werden, wenn Mitarbeiter von Kliniken oder Dienstleistungsbetrieben erkranken."

Weiterhin Maske

Auch die Gefahr von Long Covid sei durchaus hoch, wenn man an Corona erkranke. Löw rät - wie das Landratsamt auch -, weiterhin beim Einkaufen oder in Innenräumen eine FFP2-Maske zu tragen.

"Gerade bei Zusammenkünften im Innenbereich ohne Mindestabstand und Mund-Nasen-Schutz ist das Infektionsrisiko deutlich erhöht", heißt es in der Mitteilung der Behörde.

Mit Einschränkungen ist aber nach wie vor nicht zu rechnen. "Die zum Infektionsschutz möglichen Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes sind in der aktuellen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bereits verankert und führen auch durch die hohen Zahlen im Landkreis derzeit zu keinen weiteren Einschränkungen."

Zwölf Patienten

Die steigenden Zahlen spiegelten sich auch im Klinikum Altmühlfranken wieder, heißt es weiter: "So sind derzeit zwölf Patientinnen und Patienten wegen oder mit Corona in stationärer Behandlung." Auch seien wieder vermehrt Mitarbeiter an beiden Standorten von einer Covid-Infektion betroffen und in häuslicher Isolation.